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Nach dem Zwischenurteil des OLG München -
Interview zur causa Pechstein im Deutschlandfunk

 


Interview Deutschlandfunk 17.01.2015


Nach dem Urteil des OLG München in der "Causa Pechstein":
Marius Breucker im Gespräch mit Astrid Rawohl im Deutschlandfunk


Astrid Rawohl: Vor zwei Tagen hat das Oberlandesgericht München eine wichtige Entscheidung gefällt. Die Schadensersatzklage von Eisschnellläuferin Claudia Pechstein gegen den Weltverband ISU wurde zugelassen. Pechstein hat die ISU auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 4,4 Millionen Euro verklagt, der Weltverband wird in Revision gehen. Schon ist aber klar: Vom Münchner Pechstein-Urteil gehen wichtige Anstöße aus - in Richtung Internationaler Sportgerichtshof CAS, in Richtung Schiedsgerichtsbarkeit, in Richtung andere Athleten, die sich ungerecht vom CAS behandelt fühlen, wie beispielsweise Radprofi Patrik Sinkewitz, aber auch in Richtung Anti-Dopinggesetz. Marius Breucker ist Sportrechtler in Stuttgart und ihn habe ich vor der Sendung gefragt, wie er denn den Entscheid des OLG München in der Causa Pechstein bewertet.

Marius Breucker: Es handelt sich zweifellos um eine bahnbrechende Entscheidung, die nichts anderes besagt, als dass Schiedsvereinbarung im Sport jedenfalls mit Verweis an den Court of Arbitration for Sport unwirksam sind. Das Urteil bezieht sich ausdrücklich auf Schiedsvereinbarungen, die vorsehen, dass der internationale Schiedsgerichtshof - Court of Arbitration for Sport (CAS) - zuständig ist, und das Urteil trifft nur die Aussage, dass Schiedsvereinbarungen, die diese Zuständigkeit begründen, unwirksam sind.



"Entscheidung hat Auswirkungen über den Fall Pechstein hinaus"


Astrid Rawohl: Kann denn aus diesem Entscheid in irgendeiner Weise ein Hinweis auf die Schuldfrage abgeleitet werden? Viele Leserbriefe in den letzten Tagen in Sachen Pechstein haben das ja schon impliziert.

Marius Breucker: Das Urteil entscheidet nur über die Zulässigkeit der Klage und trifft noch keine Aussage über die Frage des Dopings. Es stellt aber klar, dass sich das Gericht durch den Schiedsspruch des CAS nicht gehindert sieht, später in der Sache selbst zu entscheiden, weil dieser Schiedsspruch in Deutschland nicht anerkennungsfähig sei. Das heißt, es geht dann - wenn das so bestätigt werden sollte - bei Null wieder los, mit allen Chancen auch für die Athletin.

Astrid Rawohl: Was bedeutet denn dieser Entscheid nun für die Sportgerichtsbarkeit? Der Anwalt von Radsportler Patrik Sinkewitz beispielsweise, der ja auch die Schiedsgerichtsbarkeit in Frage stellt hier zu Lande, und dessen Prozess im Frühjahr 2015 weitergeht, sieht im Pechstein-Entscheid Rückenwind für die eigene Causa Sinkewitz.

Marius Breucker: Man kann schon davon ausgehen, dass die Entscheidung - wenn sie denn vom Bundesgerichtshof in einer etwaigen Revision bestätigt würde - Auswirkungen über den Fall Pechstein hinaus hat. Denn es geht ja um die grundsätzliche Frage: Sind Schiedsvereinbarungen wirksam, wenn sie von einem Verband zur Voraussetzung für die Teilnahme am Wettbewerb gemacht werden.? Und das ist ja der Regelfall. Das würde im Grundsatz auch die Situation bei Sinkewitz betreffen.

Astrid Rawohl: Im Grunde wird, vom Oberlandesgericht München die Monopolstellung des CAS kritisiert. Natürlich werden auch noch einmal die Neutralität und die Unabhängigkeit in Frage gestellt. Ist das so richtig zusammengefasst?

Marius Breucker: Ja, das ist richtig. Das Urteil geht vor allem auf die Frage ein, dass das entscheidende Gremium des CAS, das letztlich die Schiedsrichterliste zusammenstellt, aus denen die Schiedsrichter gewählt werden müssen, dass dieses Gremium überwiegend von Vertretern besetzt wird, welche die Sportverbände stellen, also internationale und nationale Sportorganisationen, internationale Spitzenverbände. Darin sieht das Gericht ein strukturelles Übergewicht der Verbände und sieht daher die Neutralität gefährdet.

Astrid Rawohl: Kommt dieser Internationale Sportgerichtshof jetzt überhaupt noch an einer Strukturreform dann vorbei?

Marius Breucker: Es wird unter Juristen schon länger diskutiert, dass es Reformbedarf gibt beim CAS und jetzt wäre ein sehr guter Zeitpunkt, diese Reformen auch tatsächlich anzupacken.

Astrid Rawohl: Wie könnten die aussehen?

Marius Breucker: Entscheidend wird sein, dass das Gremium, welches die Schiedsrichter ernennt, paritätisch besetzt wird, dass also alle Protagonisten des Sports, auch die Athleten, die Möglichkeit haben, in gleicher Stärke wie die Sportverbände ihre Vertreter in dieses Gremium zu entsenden. Ein weiterer Punkt wird sein, dass bei der Besetzung des konkreten Schiedsgerichts nicht der CAS selbst den Vorsitzenden ernennen darf, sondern ein anderer, ein neutraler Mechanismus gewählt wird.

Astrid Rawohl: Können Sie sich vorstellen, dass der CAS sich auf Neuerungen einlassen wird oder eher beratungsresistent agieren wird?

Marius Breucker: Ich hoffe, dass der CAS diese Vorlage aufgreift, denn aus meiner Sicht ist das Urteil des Oberlandesgerichts kein Angriff auf die Autonomie des Sports, sondern im Gegenteil eine Chance für den Sport, sich an einer wichtigen Stelle in der Schiedsgerichtsbarkeit noch professioneller und noch besser aufzustellen. Solche Reformen werden vom CAS auch zu leisten sein. Er sollte das anpacken.



Anwalt Marius Breucker: "Guter Zeitpunkt, um Reformen des CAS anzupacken"


Astrid Rawohl: Vor einem Zivilgericht können Sportler zum Beispiel auch Prozesskostenhilfe bekommen. Beim CAS nicht. Verstehen Sie auch vor diesem Hintergrund die Sportler, die dafür kämpfen, die sich dafür einsetzen?

Marius Breucker: Absolut. Auch wir als Sportrechtler haben diesen Punkt schon mehrfach angesprochen und halten es auch für die Legitimation gerade des Anti-Dopingkampfes für einen entscheidenden Punkt, dass man Waffengleichheit herstellt und dazu gehört, dass sich auch etwas weniger betuchte Sportler ein Verfahren vor dem CAS überhaupt leisten können.

Astrid Rawohl: Nun haben wir darüber gesprochen, wie dieser Entscheid des Oberlandesgerichts München sich auswirkt auf den Internationalen Sportgerichtshof. Aber es ist natürlich auch klar, dass der deutsche Sport nun reagieren muss. Wie Ihrer Meinung nach, um eben nicht eine Flut von Regressforderungen, beispielsweise anderer Sportler befürchten zu müssen?

Marius Breucker: Der Deutsche Olympische Sportbund hat ja die Diskussion schon aufgegriffen. Er hat vorgeschlagen, dass man den CAS reformiert. Ich könnte mir vorstellen, dass er diese Bemühungen verstärkt. Natürlich muss man jetzt zunächst einmal abwarten, wie ein etwaiges Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof ausgeht. Aber sollte sich die Tendenz bestätigen, die jetzt vorgegeben ist, dann wird in der Tat der organisierte Sport Antworten liefern müssen und die können nur so aussehen, dass wir eine klare Strukturreform des CAS bekommen und möglichst eine klare gesetzliche Regelung unter welchen Voraussetzungen künftig Schiedsvereinbarungen auch dann wirksam sind, wenn sie zur Voraussetzung für die Teilnahme an einem Wettbewerb gemacht werden.

Astrid Rawohl: Sie haben das weitere Prozedere immer wieder kurz angesprochen: Die ISU, also der Internationale Verband, wird gegen den Entscheid des OLG München Revision einlegen. Das Ganze geht dann an den BGH. Folgt der BGH dem OLG, dann kommt es zum Schadensersatzprozess, bei dem die ISU in der Bringschuld steht. Wie ist denn Ihre Einschätzung dazu?

Marius Breucker: Es ist völlig klar, dass der Internationale Verband den Dopingverstoß in vollem Umfang beweisen muss. Das Oberlandesgericht hat auch klargestellt, dass es sich inhaltlich an den Schiedsspruch des CAS nicht mehr gebunden fühlt. Das heißt die gesamte Causa wird nochmal neu aufgerollt - und da muss die ISU den vollen Beweis des Dopings führen.

Astrid Rawohl: Wie ist Ihre Einschätzung? Wie wird der BGH entscheiden?

Marius Breucker: Die Frage ist grundsätzlich offen, denn es geht hier um die Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs und damit um die Frage, ob dieser so gravierend gegen die deutsche Rechtsordnung verstößt, dass ihm hier die Anerkennung zu versagen ist. Das ist in letzter Konsequenz eine Wertungsfrage, die man nicht abschließend prognostizieren kann. Aber nach der Begründung schon des Landesgerichts München und erst recht jetzt des Oberlandesgerichts spricht aus meiner Sicht vieles dafür, dass diese Haltung bestätigt wird.

Astrid Rawohl: Herr Breucker, viele vergleichen den Entscheid des OLG mit einem Erdrutsch, einem Beben, dass die Sportwelt nun erschüttert und das von ähnlicher Dimension für die Sportwelt sei, wie Mitte der 90-er Jahre das sogenannte Bosman-Urteil. Teilen Sie diese Einschätzung?

Marius Breucker: Es ist ohne Zweifel eine grundlegende Entscheidung und es wird so sein, dass die Diskussion über die Grundlagen der Schiedsgerichtsbarkeit jetzt geführt und auch die Konsequenzen gezogen werden müssen. Ich denke aber, dass man durch Reformen des CAS den Anforderungen, die jetzt das Oberlandesgericht München formuliert hat, gerecht werden kann. Daher werden die Auswirkungen, wenn man es jetzt richtig anpackt, nicht so gravierend sein, wie damals bei Bosman, als ja ein gesamtes, im Sport etabliertes Wirtschaftssystem umgestellt wurde.




Astrid Rawohl: Inwieweit tangiert dieser Entscheid das jetzt geplante Anti-Dopinggesetz?

Marius Breucker: Das Anti-Dopinggesetz, der Entwurf dazu, sieht bislang vor, dass die Parteien Schiedsvereinbarungen treffen können. Ich denke der Gesetzgeber wäre jetzt aufgerufen, umso mehr nach dem Urteil des Oberlandesgerichts München, diese Formulierung zu präzisieren und eindeutig zu sagen, unter welchen Voraussetzungen Schiedsvereinbarungen auch dann zulässig sind, wenn sie zur Voraussetzung für die Teilnahme am Wettbewerb gemacht werden. Da würde ich mir mehr Klarheit im Gesetz wünschen.

Astrid Rawohl: Wie könnte diese Klarheit Ihrer Meinung nach aussehen?

Marius Breucker: Zum Beispiel, indem man die Kriterien, die jetzt das Oberlandesgericht für eine Ausgestaltung dieser Schiedsgerichtsbarkeit des CAS angesprochen hat - also konkret dass diese Schiedsgerichtsbarkeit neutral besetzt sein muss, dass unabhängige Richter entscheiden -, dass man das so konkret wie möglich in das Gesetz hineinschreibt. Wenn dann der CAS diesen Anforderungen gerecht wird, haben wir ein funktionierendes System - und wir brauchen die Schiedsgerichtsbarkeit im Sport, um einheitliche Entscheidungen zu gewährleisten.

Astrid Rawohl: Ansonsten würde der CAS sich selber abschaffen.

Marius Breucker: Das wäre fatal, denn wir hätten dann die Situation, dass jeder Sportler in seinem Land die staatlichen Gerichte anrufen kann, mit der Folge, dass wir gänzlich unterschiedliche Rechtskulturen und Rechtssysteme hätten und dem zu Folge völlig divergierende Entscheidungen, das wäre für den Sport kaum auszuhalten.

Astrid Rawohl: Marius Breucker sieht als Sportrechtler Reformbedarf beim Internationalen Sportgerichtshof CAS und fordert mit Blick auf das hiesige Anti-Dopinggesetz Klarheit in der Schiedsgerichtsbarkeit.


Quelle. Deutschlandfunk

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