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Feuerzeugwurf kann teuer werden!
Anwalt Marius Breucker zu den Folgen eines Spielabbruchs nach der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB

 
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"Feuerzeugwurf kann teuer werden!" - Anwalt Marius Breucker zu den Folgen eines Spielabbruchs nach der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB


Nach dem Abbruch der DFB-Pokalbegegnung VfL Osnabrück gegen RB Leipzig am 10. August 2015 wegen eines Feuerzeugwurfs auf den Schiedsrichter führte Sky Sport Live ein Interview mit dem Stuttgarter Sportrechtler Marius Breucker. Er hatte nach dem Becherwurf und dem anschließenden Abbruch der Partie Stuttgarter Kickers gegen Hertha BSC Berlin am 25. Oktober 2006 die Stuttgarter Kickers vertreten und für diese einen Schadenersatzanspruch gegen den "Becherwerfer" durchgesetzt. Der Täter musste die Vertragsstrafe des DFB, die Kosten der Sicherheitsauflagen und des sportgerichtlichen Verfahrens bezahlen. Er musste auch den entgangenen Gewinn für ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit erstatten.



DFB Rechts- und Verfahrensordnung: Vereine haften für ihre Anhänger



Der Beitrag gibt das Interview auf Sky Sport vom 12. August 2015 in gekürzter und redigierter Fassung wieder.

Moderation Sky Sport: Nach dem Spielabbruch in Osnabrück am 10. August stellt sich die Frage, wie das DFB-Sportgericht entscheidet. Darüber möchten wir nun sprechen mit dem Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker aus Stuttgart.

Sky Sport: Herr Dr. Breucker, erst einmal einen schönen guten Abend! Der jetzige Fall erinnert an die Partie der Stuttgarter Kickers gegen die Hertha, die nach einem Becherwurf mit 2:0 für Berlin gewertet worden war. Sehen Sie Parallelen? Sind die Fälle zu vergleichen?

Marius Breucker: Guten Abend. Die Fälle sind nahezu identisch. Damals bei den Stuttgarter Kickers flog ein Bierbecher aus dem Kickers-Fanblock auf den Linienrichter, der sogar kurz das Bewusstsein verlor. Daraufhin entschied Schiedsrichter Michael Weiner, das Spiel abzubrechen. Der zentrale sportliche Unterschied ist, dass die Kickers damals mit 0:2 im Rückstand lagen, während der VfL Osnabrück mit 1:0 in Front lag. Insofern ist der Fall für Osnabrück noch ein bisschen bitterer.

Sky Sport: Spielt der sportliche Stand im Zeitpunkt des Abbruchs tatsächlich keine Rolle?

Marius Breucker: Der Stand spielt keine Rolle. Entscheidend ist die Frage, ob der Spielabbruch durch das Verschulden eines Vereins verursacht wurde oder nicht. Wenn ein Verschulden vorliegt, ist das Spiel als verloren zu werten. Vieles spricht dafür, dass das Verhalten des Zuschauers dem VfL Osnabrück zugerechnet wird. Insofern stehen die Chancen für ein Wiederholungsspiel schlecht. Denn nur wenn ein Spiel ohne Verschulden eines Vereins abgebrochen wird, besteht die Möglichkeit, ein Wiederholungsspiel anzuordnen.

Sky Sport: Ist der DFB an dieser Stelle gebunden? Es gibt ja den Vorschlag von Ralf Rangnick, dass man nicht am "Grünen Tisch", sondern gern auf dem Rasen entscheiden lassen würde. Er bietet ein Wiederholungsspiel in Osnabrück an, was ja an sich ehrenwert ist, weil Leipzig hinten lag.



Nach einem Spielabbruch droht dem verantwortlichen Verein ein "Geisterspiel"



Marius Breucker: Das ist in der Tat ein sportlicher und ehrenwerter Vorschlag von Ralf Rangnick. Aber wie Sie schon sagen: Die Rechtsfolge nach einem Spielabbruch steht nicht zur Disposition des DFB-Sportgerichts und auch nicht zur Disposition der beteiligten Vereine. Man muss bedenken, dass bei einem solchen Vorfall Dritte betroffen sind.

Daher können die beiden Vereine nicht frei darüber entscheiden, ob sie ein Wiederholungsspiel durchführen wollen oder nicht. Und die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB ist an dieser Stelle klar: Sie sieht zwingend vor, dass das Spiel als verloren zu werten ist.

Sky Sport: Da hilft dann auch das Angebot nichts, ein Wiederholungsspiel durchzuführen und gegebenenfalls als Verlierer vom Platz zu gehen?

Marius Breucker: Nein, das hilft in diesem Fall nicht. Sie müssen sich das ein bisschen vorstellen wie im Strafrecht: Auch dort hilft es in der Regel nicht, wenn ein Betroffener der Auffassung ist, der Täter brauche nicht bestraft zu werden. Diese Frage steht im Regelfall nicht zur Disposition der Parteien. Das hat mit dem Schutze Dritter aber auch mit Generalprävention zu tun. Man muss in diesen Fragen auch an künftige Fälle denken. Dem DFB-Sportgericht wird an dieser Stelle wohl kein Spielraum verbleiben.

Sky Sport: Wie sieht es mit den weiteren strafrechtlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen aus?

Marius Breucker: Für den Täter kann der Wurf erhebliche Folgen haben, wenn man ihn denn identifizieren kann. Strafrechtlich kommt beim Wurf eines Feuerzeugs eine gefährliche Körperverletzung in Betracht. Diese ist im Regelfall mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bedroht. Auch zivilrechtlich kann der Fall teuer werden: Der Täter muss grundsätzlich für sämtliche Schäden aufkommen, die dem VfL Osnabrück aufgrund des Spielabbruchs entstanden sind. Die Stuttgarter Kickers nahmen damals den Becherwerfer auf Schadensersatz in Anspruch und gewannen das Verfahren vollumfänglich. Ähnliches kann hier der Fall sein, so dass es für den Täter noch teuer werden kann.

Sky Sport: Die Entwicklung wird uns also sicher noch ein bisschen beschäftigen. Was ist Ihre Einschätzung, wann wir mit einer Entscheidung rechnen können?

Marius Breucker: Ich bin mir sicher, dass sowohl der Kontrollausschuss als auch das DFB-Sportgericht mit Hochdruck arbeiten. Die Beteiligten sind gewohnt, schnell zu agieren und zu entscheiden. Es ist aber zunächst entscheidend, den Sachverhalt zu klären. Dazu gehört es auch, den beteiligten Vereinen die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das muss man zunächst abwarten. Es wird aber sicher in den nächsten Tagen mit einem Urteil zu rechnen sein. [...]

Sky Sport: Dann warten wir ab, wie sich der Fall weiter entwickeln wird. Wir bleiben dran, Sie sicher ganz genauso. Damit erst einmal vielen herzlichen Dank, Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker, für Ihre Einschätzung!

Marius Breucker: Vielen Dank.

Das Sky Sport Interview zu den Rechtsfolgen eines Spielabbruchs können Sie hier ansehen:



Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker (Stuttgart) im Sky Sport Interview




Wenn ein Verein als Folge eines Spielabbruchs vom DFB-Sportgericht zu einer Vertragsstrafe verurteilt wird, so kann er unter Umständen den Täter in Regress nehmen. Eine Darstellung der Rechtslage und der maßgeblichen, von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Kriterien finden Sie unter:
https://mariusbreucker.wordpress.com/2015/09/17/regress-des-vereins-gegen-stoerer-bei-zuschauerausschreitungen/